Ludwigs Abenteuer – Folge 97

Ludwigs Abenteuer – Folge 97

Von meiner Heimatstadt Neuss aus ging es weiter zur vorletzten Station meiner fünften Reise nach Bad Hersfeld.
So langsam bin ich in Bad Hersfeld bekannt wie ein bunter Hund … äh … Löwe. Schon zum dritten Mal innerhalb eines guten Jahres durfte ich bei Ute zu Gast sein und nun stand – nach den Bad Hersfelder Festspielen und der Gedenkfeier zum 20. Juli in Imshausen im vergangenen Jahr und dem Hessentag im Juni nun das große, traditionelle Fest der Hersfelder, das Lullusfest (www.lullusfest.de) an.

Dieses Mal hat es mit der Anreise ganz wunderbar geklappt: Herbert, Utes Mann war zu Hause und konnte mich in Empfang nehmen. So musste ich nicht länger als nötig in meinem Reisekistchen bleiben und Ute hatte genügend Zeit, um mich auf das vorzubereiten, was mich in den nächsten Tagen erwarten würde. Wir hatten es sehr gemütlich miteinander.

Das gute Wetter haben wir dann an einem der ersten Besuchstage für eine schöne, lange Fahrradtour ausgenutzt. Da es rund um Hersfeld doch eine ganze Menge Berge und Hügel gibt, war das ziemlich anstrengend und ich war froh, dass Ute kräftig in die Pedale getreten hat. Ich habe sie dabei angefeuert. Das hat ganz bestimmt entscheidend geholfen, da bin ich sicher. Zuerst sind wir auf der stillgelegten Bahnstrecke der Hersfelder Kleinbahn gefahren, der heute als Solztalradweg eine neue Funktion hat. Die alten Bahnhöfe sind noch gut zu sehen und daher wusste ich, dass wir unter anderem in Schenksolz vorbeigekommen sind. Und auch wenn das Stationshäuschen eher wie eine Bushaltestelle aussieht, hat mir Ute doch glaubhaft versichert, dass da früher ein Zug gefahren ist.
Von Schenksolz ging es dann ein gutes Stück bergauf bis wir in dem Dorf mit dem schönen Namen Motzfeld ankamen. Bei dem schönen Wetter war aber keiner von uns motzig. Wir haben die Sonne und die schönen Herbstfarben sehr genossen.
In Motzfeld haben wir übrigens einen gigantischen Artgenossen von mir getroffen. Der thront mitten im Dorf auf einem Kriegerdenkmal. Ich muss schon sagen: Diese Hessen sind schon nicht schlecht – ein ganzes Bundesland voller Löwen. Bei unserem nächsten Halt an der Wasserburgruine in Friedewald haben wir nämlich gleich noch einen getroffen.
Ja, und so ein bisschen Burglöwe spielen, das fand ich schon toll. Gut, dass Ute daran gedacht hatte, mein Sicherheitsgeschirr anzulegen, damit ich nicht am Ende noch in den Burggraben oder vom Bergfried stürze. Sonst hätte ich nicht so schön in der Burgruine herumklettern können. Das hätte ich sehr schade gefunden. Bevor die Burg Ruine wurde, war sie eine wichtige Grenzburg an strategisch günstiger Stelle (https://de.wikipedia.org/wiki/Wasserburg_Friedewald_(Hessen)) und sie ist richtig alt. Zerstört wurde sie 1762 im Siebenjährigen Krieg durch die Franzosen und sie wurde nicht wieder aufgebaut. In Friedewald haben wir auch Kastanien gefunden. Ein paar hat Ute mir als Souvenir in meine Reisekiste gepackt. Und was wir mit den anderen gemacht haben und warum man in Hersfeld unter den Bäumen Kastanien eher selten findet, das verraten wir später.
Von Friedewald aus ging es dann sehr flott (siebeneinhalb Kilometer kräftig bergab) bis zum Hofgut Oberrode am Solztalradweg, wo wir uns im Biergarten „Zur Weißen Dame“ standesgemäß mit einem „Sauer Gespritzten“ gestärkt haben. Sauer Gespritzter ist in manchen Gegenden Hessens das Nationalgetränk: Apfelwein mit Wasser. Es gibt auch Süß Gespritzten, der ist dann mit Limo. Hier wurde er sogar stilecht im „Gerippten“ (so heißen diese echten Äppelwoi-Gläser) serviert. Nach der anstrengenden Fahrradtour war das genau das Richtige.

Einen Tag später – an einem Sonntag – begann dann das Lullusfest. Die Hersfelder sagen, dass das Lullusfest (sie sagen „Lolls“ dazu) das älteste Volksfest in Deutschland ist. Zum ersten Mal wurde es im Jahr 852 gefeiert und seitdem findet es immer in der Woche statt, in die der 16. Oktober fällt. Der 16. Oktober ist der Todestag des heiligen Lullus, der das Kloster in Hersfeld gegründet hat. Für Hersfeld ist das sozusagen die „fünfte Jahreszeit“: Es ist ihnen mindestens so wichtig, wie den Rheinländern ihr Karneval. Ute sagt, man kann hier die Zeitrechnung in „vor Lolls“ und „nach Lolls“ einteilen – wobei, wenn man es positiv sieht, ist eigentlich immer vor Lolls … Fast jeder, der in Hersfeld geboren und/oder aufgewachsen ist, bemüht sich, in der Lollswoche für einen oder mehrere Tage in der Stadt zu sein, denn es gibt kaum eine bessere Gelegenheit, alte Freunde und Bekannte zu treffen.
Der ganz offizielle Beginn ist eigentlich der Montag, der so genannte Lollsmontag. Aber die Hersfelder fangen schon am Sonntag an zu feiern. Auf dem Markplatz, auf dem bei meinem letzten Besuch während des Hessentages große Zelte standen, waren nun Karussells und Buden aufgebaut. In Hersfeld heißen die „Budewähn“, und werden nicht nur von den Kindern begeistert begrüßt.
Die Karussells und Buden sind am Sonntag noch geschlossen, sie werden aber am Abend von den Schaustellern schon beleuchtet. Aber jetzt sind wir erst mal am Morgen: Morgens früh gehen in Hersfeld viele Läuferinnen und Läufer beim so genannten „Lollslauf“ auf die Strecke. Da sind sogar schon die Kleinsten dabei und das geht dann über die Strecken von fünf oder zehn Kilometer bis hin zum Halbmarathon. Die Stadt ist an diesem Tag bis in den Nachmittag hinein komplett lahmgelegt, viele Straßen sind gesperrt. Wir sind vor diesem Spektakel geflohen und haben das schöne Herbstwetter bei einer wunderbaren Wanderung genossen. Aber ich sage Euch: Es war gar nicht so leicht, aus der Stadt herauszukommen!
Wir haben wandermäßig einen großen Bogen um ein Dorf namens Wippershain geschlagen. Da ist es richtig schön: Es liegt auf rund 500 Metern Höhe und der Blick war wunderbar. Die Wippershainer haben einen Sportplatz mit spektakulärer Aussicht in die Kuppenrhön auf das so genannte „Hessische Kegelspiel“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Hessisches_Kegelspiel). Ute hat mir erklärt, dass das kegelförmige Vulkanberge sind. Klar, dass ich mir das ganz genau anschauen musste, aber ein bisschen enttäuscht war ich schön: Es gab weder Rauch noch Lava.
Als wir durch das Dorf Wippershain gingen, das mit seinen 500 Einwohnern eher sehr klein ist, war ich einen Moment lang verwirrt und habe mich gefragt, ob wir in Manhattan gelandet sind und es dort tatsächlich Fachwerkhäuser stehen. Grund für meine Verwirrung waren die fehlenden Straßennamen und die dafür aber vorhandene Nummerierung. Aber Ute hat mir auch das erklärt: In Wippershain gibt es keine Straßennamen. Die Straßen haben nur Nummern, sodass es so originelle Adressen gibt, wie „12. Straße Nr. 5“ oder so ähnlich. Das kommt durch die Gebietsreform von 1972. Damals wurde Wippershain ein Ortsteil der Gemeinde Schenklengsfeld. Und weil in einer Gemeinde keine doppelten Straßennamen sein durften, hätten die Wippershainer einige ihrer Straßen umbenennen müssen. Das hat ihnen aber nicht gepasste und sie haben damals konsequent alle Straßennamen abgeschafft und ihre Straßen nummeriert.
Als wir wieder zu Hause waren, reichte die Zeit gerade noch für eine Tasse Tee. Dann ging es wieder los auf den Festplatz des Lullusfestes. Traditionell gibt es nämlich am Sonntag zu Beginn des Lullusfestes einen Gottesdienst im Autoscooter. Schon cool, nicht in der Kirchenbank, sondern in den Autos sitzen zu können. Aber leider fuhren die noch nicht. Das fand ich sehr bedauerlich.
Trotzdem war das ganz prima. Ich habe dort sogar den Feuermeister getroffen. Der Feuermeister ist während des Lullusfestes noch wichtiger als der Bürgermeister. Was der genau macht, erkläre ich später. Er ist mit seiner Fackel das Symbol des Lullusfestes. Wer Feuermeister werden will, muss Handwerksmeister sein und in Bad Hersfeld geboren. Der jetzige Feuermeister ist wirklich sehr nett. Er ist Metzgermeister. Wir haben uns sehr gut verstanden. Seine Kleidung und die Fackel sind wirklich sehr schick. Und er trägt sogar weiße Handschuhe! Nur leider hatte der Metzgermeister nichts Anständiges zum Essen für mich dabei…
Nach dem Gottesdienst startet dann der Laternen- und Fackelumzug, auf den sich die Hersfelder Kinder jedes Jahr besonders freuen. Und wir haben einen Bummel über den beleuchteten Markt gemacht und uns die Karussells genauer angeschaut. Sehr schön bunt! Das hat mir gefallen. Mit dem Strom der Menschen haben wir uns dann in die Stiftsruine treiben lassen. Dort endete auch der Fackelzug. Schon eindrucksvoll, die Ruine einmal ohne Tribüne, Dach und Bühne zu sehen. Das ist schon ein imposantes Gemäuer! In der Ruine gab es eine Feierstunde, die mit dem Läuten der Lullusglocke begann. Die wurde wieder – wie schon beim Hessentag und wie sonst immer (sie wird normalerweise nur an Weihnachten, Ostern, Pfingsten und am Sonntag vor dem Lullusfest geläutet) von den Hersfelder Mönchen in Bewegung gesetzt. Sie wird von Hand geläutet und es werden mehrere kräftige Männer dafür gebraucht.
In der Feierstunde gab es dann eine sehr launige Rede eines englischen Historikers aus der Partnerstadt Bad Hersfelds, aus Malmesbury, der Heimatstadt des heiligen Lullus und am Schluss eine sehr effektvolle Lasershow. Wirklich klasse! Es gibt sogar einen echten Hersfelder Schlachtruf, den habe ich da zum ersten Mal gehört. Einer brüllt laut „Attacke!“ und alle anderen antworten „Enner, zwoon, dräi, Bruder Lolls!“. Naja, ein bisschen gewundert habe ich mich schon. Aber da haben alle mitgerufen. Und das ging die ganze Woche so. Komisch, die Hersfelder!

Der nächste Tag war dann der „Lollsmontag“. Da ging es dann so richtig los mit dem Fest. Ute musste allerdings zuerst noch mal arbeiten. Mittags um 12 Uhr wird dann das große Lullusfeuer angezündet. Das brennt die ganze Woche. Und da werfen die Kinder immer Kastanien hinein. Die sammeln sie in möglichst großer Menge. Das ist eine lange Tradition in der Stadt und das ist auch der Grund, warum Kastanien unter den Bäumen in Bad Hersfeld kaum zu finden sind. Vor dem Anzünden hält der Bürgermeister eine Rede. Dann wirft er eine brennende Fackel in den großen Holzhaufen. Das Ziel ist, dass die Rede genau dann vorbei ist, wenn es vorn der Stadtkirche 12 Uhr schlägt und dass dann gleich die Fackel geworfen wird. Denn wenn das Feuer brennt, startet auch gleich der große Umzug. Da stehen dann immer viele Hersfelder in den Straßen und man trifft alle möglichen Leute. Der, den Ute und ich hier getroffen haben, ist übrigens ein ganz besonderer Mensch. Jochen war jahrzehntelang Bademeister und hatte lange eine Schwimmschule. Bei ihm haben Generationen von Hersfeldern das Schwimmen gelernt. Natürlich haben alle wieder laut gerufen. „Attacke!“ „Enner, zwoon, dräi, Bruder Lolls!“ Und ich habe auch mitgerufen. So ein bisschen Löwengebrüll mischt sich da ganz gut drunter. Klar, dass wir dann auch noch am Feuer waren. Da lag schon ganz schön viel Holz bereit. Das wird alles im Lauf der Woche verbrannt.
In Imshausen gab es dann noch mal ein richtig schönes Konzert. Bärbel, Maria, Stefan und Stefan sind „4Singen“. „Große Gefühle im Mondenschein“ hieß das Konzert, das die vier gegeben haben. Sie hatten wunderbare Liebes- und Abendlieder zusammengestellt. Die Halle im Herrenhaus war bis auf den letzten Platz besetzt. Ute und ihre Helfer mussten noch eine ganze Menge Stühle heranschaffen, um alle Zuschauer unterbringen zu können.
Abends waren wir dann noch mal auf dem Lullusfest. Ich habe in der Geisterbahn beim Erschrecken geholfen. Roaaar! So ein Löwengebrüll wirkt schon wirklich einschüchternd.
Und am Feuer waren wir natürlich auch noch mal. Aber so ganz lange konnten wir nicht bleiben. Am nächsten Morgen mussten wir früh aufstehen, weil wir früh zum Bahnhof mussten.

Mit der Bahn sind wir über Hamburg bis nach Dagebüll gefahren und von dort aus mit dem Schiff auf die Insel Föhr. Dort warteten schon Utes Mann und ihr Vater, die beide schon einen Tag früher gefahren waren.
So ein bisschen Nordseeluft konnten wir beide gut gebrauchen. Abends waren wir rechtschaffen müde und sind früh ins Bett gegangen.

Am anderen Morgen ging es dann gleich aufs Fahrrad. Die Insel ist wunderbar zum Fahrradfahren, auch wenn Ute ein bisschen über den Gegenwind gestöhnt hat. Aber nur ein kleines bisschen, schließlich habe ich ihr ja auch geholfen.
Auf Föhr gibt es wunderbare Strände, zum Beispiel bei Utersum, wo wir einen guten Blick auf die Nachbarinseln Amrum und Sylt hatten. Deren Leuchttürme waren richtig gut zu erkennen.
Nachmittags gab es im Lieblingscafé von Ute die besten Brownies überhaupt. Mit Eis, Schokoladensauce und Sahne. Ute wollte mir eigentlich nichts abgeben, aber ich habe ihr am Ende doch klarmachen können, dass Löwen von Schokolade und Eis glänzendes Fell bekommen.

Wir haben auf Föhr viele schöne Touren gemacht: Am Hafen gab es Schiffe zu gucken und am Deich viele Schafe. Die Woche auf der Insel war wunderbar. In Alkersum gibt es das Museum der Kunst der Westküste. Das feiert gerade seinen zehnten Geburtstag. Und das Geburtstagsgeschenk des Museums an sich selbst ist eine sehr schöne Ausstellung mit Bildern rund um das Meer aus Deutschland, den Niederlanden, Dänemark und Norwegen. Das Bild, das ich mir auf dem Foto gerade anschaue, hat mir besonders gut gefallen. Es stammt von einem dänischen Maler namens Michael Ancher.
Und wir waren an einem Regentag auch noch im Museum in Wyk. Da gab es eine Fotoausstellung über 200 Jahre Badebetrieb in Wyk. Außerdem gab es viel über Walfang, Schifffahrt und Auswanderung – viele Föhrer sind nämlich früher in die USA ausgewandert. Dort leben mittlerweile mehr Föhrer als auf der Insel selbst. Man konnte in eine echte Kapitänskajüte gucken und in ein nordfriesisches Wohnzimmer, das übrigens „Pesel“ heißt.

Als wir nach etwas mehr als einer Woche wieder in Bad Hersfeld gelandet waren, war es schon fast wieder Zeit, die Reisekiste zu besteigen. Aber vorher hatte ich noch einiges mit den beiden Luthers auf Utes Küchenfensterbank, mit Heinrich dem Löwen und mit Rudi, dem Bär zu besprechen. Die wollten nämlich ganz genau erzählt bekommen, was wir auf Föhr so gemacht haben.

Nach einem letzten entspannten Wochenende in Bad Hersfeld war es dann an der Zeit, um mich zu verabschieden und die letzte Etappe meiner fünften Twitter-Reise in Angriff zu nehmen…


Da im Reisebericht nicht immer alle Bilder untergebracht werden können, könnt ihr alle Bilder dieses Abenteuers hier bestaunen:


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12. Twitter-Reise, 9. Station

Ludwig ist zu Gast bei @BearsPipe in Winterthur/Schweiz. Die Weiterreise ist für den 11.11.2024 geplant. Dann geht es zu einem Zwischenstopp nach Hause, bevor im Dezember 2024 die 13. Twitter-Reise startet.

-1- Reisebericht(e) ausstehend.

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Neueste Kommentare
  1. Hallo und Guten Morgen ☕🥞🥐, Ludwig_Loewe du warst ja in meiner Geburtsstadt Heidelberg 😻 wohne da ja so 20km entfernt.