Ludwigs Abenteuer – Folge 74
Von Kiel aus ging meine Reise weiter nach Bad Hersfeld. DHL hat sein Bestes gegeben, um mich nach zwei Tagen zuzustellen, aber meine neue Gastgeberin Ute und ihr Mann waren beim Zustellversuch noch arbeiten. So musste ich in meinem Reisekistchen die Nacht im Bad Hersfelder Postamt verbringen. Das hatte mich natürlich nicht besonders erfreut, zumal sich bei mir auch ein leichtes Hüngerchen regte. Glücklicherweise hatte mir Numpsie noch ein paar Schokoriegel ins Reisekistchen gelegt, sodass ich davon absehen konnte, irgendeinen Personenschaden anzurichten.
Da Utes Mann glücklicherweise am Donnerstag frei hatte, ist er dann gleich mit der Benachrichtigungskarte zur Post gekommen, um mich abzuholen. Da Ute ihn gewarnt hatte, ist er sehr vorsichtig mit mir umgegangen, was bei einem hungrigen Löwen auf jeden Fall angezeigt ist. Als Ute von der Arbeit nach Hause kam, hat sie mich gleich aus meinem Reisekistchen befreit. Wir sind dann zusammen in die Stadt gegangen, wo wir unseren Hunger beim Griechen mit einer großen Portion Gyros mit Tsatsiki gestillt haben. Wir waren so hungrig, dass wir das Essen nicht mal vorher fotografieren konnten. (Börps!)
Anschließend sind wir zusammen – zwei Freunde von Utes Mann waren auch dabei – an der schön beleuchteten Stiftsruine vorbei nach Hause gegangen. Die Stiftsruine (https://de.wikipedia.org/wiki/Stiftsruine_Bad_Hersfeld) ist auch die größte Sehenswürdigkeit von Bad Hersfeld. Das habe ich gleich gelernt. Eine riesengroße romanische Kirchenruine. Ruine war sie natürlich nicht immer. Die Kirche entstand aus einer Einsiedelei, die 736 von Sturmius gegründet wurde. Zwischen 769 und 775 machte Bischof Lullus von Mainz aus der Einsiedelei ein Benediktinerkloster. Gleichzeitig wurde statt der älteren Kapelle eine größere Kirche gebaut. Nach einem Brand 1038 wurde die Kirche im romanischen Stil wieder aufgebaut. Das Kloster wurde von Karl dem Großen 775 zur Reichsabtei gemacht. Außer ihm waren noch mindestens drei weitere Kaiser zeitweise in Hersfeld. Die Statuen der vier Kaiser stehen zur Festspielzeit neben der Stiftsruine. Allerdings nur zu dieser Zeit, weil sie aus einem Spezial-Kunststoff bestehen und erwiesenermaßen nicht vandalismusfest sind. Ich habe kurz auf dem Schwert Karls des Großen Platz genommen und mich mit ihm unterhalten. Das war sehr interessant! In der Ruine wird seit den 1950er Jahren im Sommer Theater gespielt. Von Juli bis Ende August gehen in diesem Jahr die Bad Hersfelder Festspiele (https://www.bad-hersfelder-festspiele.de/). Die Ruine war in Grün und Blau angeleuchtet und innen fand gerade die Generalprobe für das Musical „Titanic“ statt. Ute hat mir an diesem Abend versprochen, dass sie mit mir zusammen eine Vorstellung besucht und vielleicht auch eine Backstage-Führung – da war ich natürlich schon sehr gespannt, wie die Theaterleute das Riesenschiff Titanic auf ihre Bühne bugsieren wollen.
Als wir zu Hause ankamen, war noch kurz Zeit, den neuen Hausgenossen von Ute und ihrem Mann zu begrüßen: Den Fortuna-Wackeldackel Fritthelm. Die Männer wollten nämlich am nächsten Tag zusammen in die Rhön fahren, um den Aufstieg der Düsseldorfer Fortuna nachzufeiern. Der Mann von Ute ist nämlich in Düsseldorf geboren und daher aus alter Verbundenheit Fortuna-Fan. Außerdem habe ich gleich gemerkt, dass dies ein ziemlich musikalischer Haushalt ist. Es gibt hier ein Klavier, ein Akkordeon und mehrere Gitarren. Na da war ich schon gespannt auf die nächsten Tage.
Am nächsten Morgen gab es ein opulentes Frühstück. Danach bin ich dann mit Ute zum Arbeiten nach Imshausen (http://www.stiftung-adam-von-trott.de/) gefahren. Da gibt es ein sehr schönes gelbes Herrenhaus, das 1792 gebaut worden ist. Das Haus ist das Elternhaus von Adam von Trott zu Solz (https://de.wikipedia.org/wiki/Adam_von_Trott_zu_Solz), der einer der Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus war. Er gehörte zum Kreisauer Kreis und war beteiligt an der Planung des Attentats auf Adolf Hitler vom 20. Juli 1944. Ute hat mir erzählt, dass sie Geschichte studiert hat und seit elf Jahren in diesem Haus arbeitet. Das Haus ist heute ein Tagungshaus, in das ganz verschiedene Gruppen zum Tagen und Arbeiten kommen. Ute ist Bildungsreferentin dort. Sie plant Tagungen und Veranstaltungen, außerdem noch Studientage für Schüler*innen und Studierende. Am 20. Juli findet in jedem Jahr eine Gedenkfeier statt, die allerdings nicht im Haus beginnt, sondern an einem Gedenkkreuz, das oben auf dem Berg steht. Auch dafür mussten wir einiges vorbereiten und überlegen.
Wir haben zusammen als erstes ganz viele Rundbriefe eingetütet, die wir später auf die Post gebracht haben. Klar, dass Ute ohne meine Hilfe sicher viel länger gebraucht hätte. Später kam dann noch ein Gast, der gerade dabei war, ein Buch zu übersetzen, das irgendwie mit Imshausen zu tun hat. Den haben wir durch die Häuser und durch den Park geführt. Das war sehr interessant: Im Haus gibt es unter anderem eine sehr schöne Treppe aus Eichenholz, eine riesige syrische Lampe und eine chinesische Bronzevase – lauter Reisesouvenirs. Außerdem ist im Keller noch eine Kapelle, die so genannte Krypta, die es dort seit 1956 gibt. Sie wurde aus einem ehemaligen Vorratskeller von der Kommunität Imshausen (www.kommunitaet-imshausen.de) gebaut. Die Kommunität gibt es heute noch auf dem Berg gleich neben dem Kreuz, aber von 1949 bis 1995 hat sie im Herrenhaus gewohnt. Die Kommunität ist eine Art Kloster, gehört aber zur evangelischen Kirche.
Ich war froh, dass ich nach all dem vielen Neuen einen schönen Schattenplatz im Park gefunden habe, auf einer Bank zwischen zwei riesigen alten Bäumen. Ute sagte, dass der größere eine amerikanische Schwarznuss (Hickory) ist und der andere eine große Eiche. Vielleicht stehen die beiden Bäume dort so dicht nebeneinander, weil die Mutter von Adam von Trott, Eleonore von Trott eine halbe Amerikanerin war, die 1901 den deutschen Beamten und späteren kaiserlichen Kultusminister August von Trott geheiratet hat. Die Bäume sind mindestens so alt, dass sie 1901 – aber vielleicht auch schon früher – gepflanzt worden sein könnten. August von Trott – auch das hat mir Ute erzählt – hat übrigens dafür gesorgt, dass eine deutsche Schulstunde in der Regel heute nicht 60, sondern 45 Minuten dauert.
Nach Feierabend sind wir schnell wieder nach Bad Hersfeld gefahren, wo wir als erstes schnell einkaufen waren. Dann reichte die Zeit gerade noch für das Verräumen der Einkäufe und ein Stück Käsekuchen. Nachdem mir Ute noch kurz die Mähne gekämmt hatte, sind wir zu Fuß in ein Hotel in der Nähe gegangen, wo schon andere Mitglieder der Hersfelder Kantorei, zu der auch Ute (sie singt Alt) gehört, auf uns warteten. Ein Chormitglied hat seinen Geburtstag dort gefeiert und hatte sich gewünscht, dass der Chor und der Posaunenchor für ihn musizieren. Die Herren im Tenor haben sich sehr gefreut, dass ich zum Aushelfen mitkam. Ehrensache für einen echten Löwen! Zuerst mussten wir uns einsingen und ein bisschen üben. Bis so ein Kantor zufrieden ist – das ich kann euch sagen – das ist ein echtes Stück Arbeit.
Der Raum in dem wir gesungen haben, war sehr klein und eng. Aber ich bin ja glücklicherweise nicht so furchtbar groß. Die Damen im Chor fanden mich alle sehr niedlich und haben sich, genauso wie die Herren im Tenor, gefreut, dass ich dabei war. Als der Posaunenchor dann dazu kam, wurde es so richtig laut. Ich habe auch zwei Trompetern noch ein bisschen geholfen.
Danach sind wir erst einmal auf das Weinfest gegangen, das an dem Abend gleich neben dem Hotel eröffnet wurde. Ute sagte, dass das eigentlich nicht so ihr Ding ist, aber sie schreibt als freie Mitarbeiterin für die Hersfelder Zeitung. Und die hat ihr an dem Abend gesagt, dass sie hingehen und ganz viele Fotos machen sollte. Auf dem Platz war allerdings noch nicht viel los, sodass Ute und ich uns auf den Weg quer durch die Stadt gemacht haben, um in der Stadtkirche das erste Orgelsommer-Konzert dieses Jahres mitzubekommen. Das war richtig klasse! Schöne Musik und so eine Orgel kann richtig laut sein. Der Organist, der dieses Konzert gespielt hat, ist extra aus München angereist und er hat der Orgel ganz erstaunliche Klänge entlockt. Ich durfte mit Ute sogar nach oben an die Orgel und dem Organisten die Hand schütteln. Sie hat derweil ein paar Fotos gemacht: Vom Organisten für die Zeitung und von mir beim Ausprobieren der Orgel, die übrigens 2010 von der Orgelbauwerkstatt Hermann Eule in Bautzen gebaut worden ist. Darum auch die Leuchtschrift „Eule“ auf dem Bild.
Wir beide sind nach dem Konzert zurück zum Weinfest gegangen. Auf dem Weg haben wir uns schnell eine Kugel von Utes Lieblingseis gegönnt: Zitrone-Basilikum – sehr lecker!
Auf dem Weinfest war jetzt richtig viel los. Ute hat ganz viele Fotos gemacht und ganz viele Leute getroffen. Auf einem Foto, das jetzt auch in der Bilderstrecke der Hersfelder Zeitung ist, bin auch ich mit drauf. Das Bild war dann sogar am Montag in der gedruckten Ausgabe der Hersfelder Zeitung (https://www.hersfelder-zeitung.de/bad-hersfeld/feine-troepfchen-gute-stimmung-bad-hersfeld-feiert-weinfest-im-kurpark-10034050.html). Die Redakteurin hat auch den kleinen Text, den Ute über meinen Besuch bei ihr mitgeschickt hat, mit abgedruckt. Toll!
Nachdem Ute endlich genug Fotos gemacht hatte, haben wir dann noch mit richtig netten Leuten zusammen gefeiert und einige Gläser Wein getrunken.
Nach dem vorangegangenen Abend mussten wir dann samstags erstmal ein bisschen länger schlafen. Danach habe ich Ute bei ihrem Kaffee- und Zeitungsritual Gesellschaft geleistet und ihr dann beim Schreiben des Artikels zum Weinfest geholfen. Auch damit wäre sie wohl ohne mich nicht so schnell fertig geworden. Nachmittags sind wir dann zu Freunden von Utes Mann gefahren, wo wir den Abend und die Nacht verbracht haben.
Nach einem ausgiebigen Frühstück sind wir sonntags zurück nach Bad Hersfeld gefahren. Mittags sind wir in der Kirchheimer Museumsscheune (https://www.museumsscheune-kirchheim.de/) eingekehrt. Bertold Schmidt aus Kirchheim hat über viele Jahre mit viel Liebe historische Gegenstände aus der Alltagskultur im ländlichen Raum zusammengestellt. Vom Waschzuber über altes Spielzeug, von der Feuerspritze über Geräte zur Feld- und Gartenarbeit – hier gibt es viel zu sehen. Genau das richtige für neugierige Löwen: Ich durfte auf einer Hochzeitskutsche und auf einer historischen Feuerspritze aus dem Nachbarort Rotterterode (ob die Leute da wohl alle stottern??) probesitzen, habe einen historischen Waschzuber in Augenschein genommen und mich mit den Kumpels auf dem Spielzeug-Rummelplatz verbrüdert. Das Eierrätsel haben Ute und ich ganz schnell gelöst. Vor allem ich… Danach bin ich dann blitzschnell in den Baum mit den Ausbacher Rotäpfeln geklettert. Das ist eine alte Apfelsorte, die es fast nur in Nordhessen gibt. Die Äpfel waren aber noch nicht reif. Die brauchen noch eine Zeit.
Danach hatte ich einen Löwenhunger. Den durfte ich mit echt hessischem Ploatz stillen. Ute hat mir erklärt, dass das ein salziger Blechkuchen aus Brotteig ist, der mit Kartoffeln, Schmand und Speck belegt ist. Früher wurde der in den Backhäusern in den Dörfern gebacken, nachdem das Brot fertig war. Hat ziemlich gut geschmeckt.
Am Abend habe ich dann mit einer Pfarrerin, einer Prädikantin und Ute in der Bad Hersfelder Stadtkirche einen meditativen Gottesdienst zum Thema Schlüssel mitgestaltet. Ich hatte also sozusagen die „Schlüsselgewalt“ und durfte auf dem Altar Platz nehmen. Die Pfarrerin wollte das so.
Auf dem Rückweg habe ich ein Schwätzchen mit Konrad Duden gehalten, dessen Statue im Stiftsbezirk steht. Konrad Duden hat einige Jahre in Bad Hersfeld gelebt. Er war hier Schuldirektor an der Alten Klosterschule, die heute Konrad-Duden-Schule heißt (wie auch sonst). Die Kinder von Ute sind übrigens auch auf diese Schule gegangen. In Bad Hersfeld hat er übrigens auch den ersten „Duden“ verfasst und hier ist er auch begraben. Sein Grab findet sich bis heute auf dem Hauptfriedhof in Bad Hersfeld. Außerdem habe ich an der Stiftruine noch eine besonders schöne kleine Blumenwiese entdeckt, die die städtischen Gärtner dort – wahrscheinlich extra für mich – angelegt haben.
Gleich beim Frühstück am Montag gab es für Ute und mich eine Überraschung: Das Bild mit mir auf dem Weinfest war tatsächlich auch in der gedruckten Ausgabe der Hersfelder Zeitung und aus dem was die Ute ihrer Kollegin über mich geschrieben hat, hat die dann gleich auch noch einen kleinen Text gebastelt. Jetzt bin ich noch ein bisschen mehr berühmt! Toll!
Die Ute hatte dann gesteigerten Bewegungsdrang und wir sind gleich mit dem Fahrrad losgefahren. Es ging von Bad Hersfeld aus an Schloss Eichhof vorbei. Das hat früher dem Hersfelder Abt gehört und da hat Martin Luther auf der Rückreise vom Wormser Reichstag 1521 übernachtet. Das war übrigens seine letzte Übernachtung, bevor er dann auf die Wartburg „entführt“ wurde. Seit dem vergangenen Jahr führt übrigens der hessische Teil des Lutherweges (https://www.lutherweg1521.de/) durch Bad Hersfeld und auf dem sind wir geradelt. Begleitet hat uns einer der beiden kleinen Luthers, die sonst bei Ute auf dem Küchenfensterbrett wohnen. Der wollte auch mal raus, wollte wohl auch nicht immer nur ins Spülbecken starren und hat mir viel erzählt über die Zeit, als er dort unterwegs war. Wir sind vom Schloss Eichhof aus weitergefahren über Niederaula, Niederjossa und Oberjossa bis nach Breitenbach am Herzberg. Da sind wir dann umgekehrt. Viel Landschaft gab es zu sehen und Luther und ich waren froh, dass wir das Strampeln bei der Hitze der Ute überlassen durften. Der Lutherweg, der noch viel länger ist – er führt von der Wartburg bis nach Worms – verläuft in diesem Abschnitt zusammen mit dem Ars-Natura-Wanderweg (http://www.ars-natura-stiftung.de/index.php/de/x3-niederaula-am-radweg–r1), der in diesem Teilstück die Überschrift „Sprachschätze“ trägt. Auf Steinen sind hier Zitate von Konrad Duden und Konrad Zuse zu lesen. Konrad Zuse hat übrigens nach dem Krieg auch in Hersfeld (später dann in Hünfeld) gelebt und gearbeitet. Seine Statue steht gleich neben der von Konrad Duden am Katharinenturm im Stiftsbezirk. Die beiden heißen unter den Hersfeldern nur „Die zwei Konrads“. Über das Zitat von Zuse, das auf dem Stein steht, an dem wir gerastet haben, habe ich mit Luther übrigens noch ein Streitgespräch geführt. Ich konnte dem Zitat – anders als er – völlig ohne Zögern zustimmen.
Am Abend haben die Ute und ich zusammen das Twitter-Abendgebet #twomplet (@twomplet) vorbereitet und mit ganz vielen Leuten gebetet. Ich habe ein bisschen gestaunt, wie viele Menschen da mit dabei sind, einige meiner Gastgeber*innen gehören übrigens auch dazu.
Am nächsten Tag hat mir Ute – wieder zusammen mit Luther – noch ein bisschen mehr von Bad Hersfeld gezeigt. Gleich am Eingang der Stiftsruine ist ein Schild zu sehen, auf dem daran erinnert wird, dass Martin Luther im Mai 1521 in der Stiftskirche, die damals natürlich noch keine Ruine war, gepredigt hat. Der Abt, der ihn beherbergt und bewirtet hatte, hat ihn darum gebeten. Und das, obwohl Luther nach dem Reichstag in Worms eigentlich ein Predigtverbot auferlegt bekommen hatte. Der Abt ist immer katholisch geblieben, er hat allerdings geduldet, dass in der benachbarten Stadtkirche schon ab 1521 regelmäßig das Evangelium „luther und klar gepredigt wurde“. Die Bad Hersfelder Stadtkirche war somit neben der Kirche in Homberg/Efze der Ort in Hessen, an dem die lutherische Lehre am frühesten Einzug in den kirchlichen Alltag gefunden hat – sozusagen Teil der „lutherischen Stammlande“. Direkt an der Stadtkirche, am Kirchplatz steht das älteste Fachwerkhaus von Bad Hersfeld, das Küsterhaus mit seiner schönen roten Tür, in dem auch heute noch der Küster der Stadtkirche wohnt. Den habe ich schon am Sonntagabend kennengelernt, der ist wirklich ganz besonders nett. Das Küsterhaus hat zu der Zeit, als Martin Luther in Hersfeld war, schon 100 Jahre an seinem Platz gestanden. Am Rathaus mit seiner schönen Renaissance-Fassade steht ein Brunnen, auf dem der Heilige Lullus, der Erzbischof von Mainz war und der das Kloster in Hersfeld gegründet hat, steht. Sozusagen ein richtiger Säulenheiliger. Unter seinen Füßen ist die Inschrift „Hersfeldiae Conditor“ zu lesen. Ich hatte da gleich Hoffnung, dass das irgendwie mit Kuchen zusammenhängen könnte (immerhin hatte ich da schon mehr als eine halbe Stunde nichts zu futtern gehabt. Roarrrrr!), aber da musste mich die Ute leider enttäuschen. Das hat eher was mit Gründer zu tun. Zum Trost sind wir dann in den Weltladen weitergewandert, der sehr schön ist. Da habe ich gleich ein paar nette Kollegen aus aller Welt getroffen, mit denen ich ein bisschen geplauscht habe.
Bei einem Besuch in der Touristen-Information am Markt habe ich dann von den netten Mitarbeiterinnen dort, die es toll fanden, einen echten Reiselöwen kennenlernen zu dürfen, einen wunderbar grünen Lutherweg-Stempel bekommen. Weil mein Pass schon ziemlich voll ist, war es nicht ganz einfach, eine freie Stelle zu finden, aber unter dem eingebundenen Ticket aus dem Opel-Zoo fand sich dann doch noch ein Fleckchen.
Auf dem Linggplatz gibt es noch ein Denkmal, die so genannten „Mückenstürmer“, eine Reihe von Menschen, die mit Leitern und Eimern ganz aufgeregt zur Stadtkirche rennen und auf den Turm zeigen. Ute hat mir erzählt, dass das daran erinnert, dass erzählt wird, dass die Einwohner der Stadt eine Rauchwolke um den Turm der Stadtkirche zu sehen gemeint haben und gleich losgerannt sind, um zu löschen. Als sie an der Kirche waren, stellte sich aber heraus, dass die Kirche nicht brannte und die vermeintliche Rauchwolke ein riesiger Mückenschwarm war. Seitdem werden die Hersfelder „Mückenstürmer“ genannt. Ich bin jetzt auch ein „Mückenstürmer“. Irgendwie und sozusagen ehrenhalber sagt Ute.
Wir haben dann auch noch Konrad Zuse besucht, mit dem ich mich gut verstanden habe. Immerhin: Ohne seine Erfindung wäre ich ja möglicherweise kein Reiselöwe…
Am Abend haben Ute und ich noch einmal die #twomplet vorgebetet.
Nachdem wir Mittwoch bis nachmittags kräftig in Imshausen gearbeitet hatten, standen nach einem Treffen mit Utes Freundinnen in der Kaffeerösterei heute die Bad Hersfelder Festspiele auf dem Programm. Zuerst haben wir eine Backstage-Führung mitgemacht, bei der wir einen Blick in die Masken- und Kostümwerkstätten werfen durften und dann sowohl auf als auch unter die berühmten „Bretter, die die Welt bedeuten“ schauen durften. Das war schon toll: Masken, Perücken, Kostüme und vieles mehr haben wir gesehen, wir haben zugeschaut, wie eine Maskenbildnerin an einer Perücke aus Büffelhaar für die Premiere von „Shakespeare in Love“ genäht hat und wir haben viele Schauspieler und sogar den Intendanten gesehen. Super! Unter der Bühne gibt es ganz viele Gänge, in denen auch die Garderoben für die Schauspieler sind. Da ist es ganz eng und die Schauspieler müssen sich manchmal in Windeseile dort für den nächsten Auftritt umziehen. Außerdem gibt es auch ein Inspizientenhäuschen, aus dem die ganze Aufführung gesteuert wird. Die Bühne und die Zuschauerbühne ist perfekt eingepasst und kommt völlig ohne Schrauben und Haken in den Wänden der Ruine aus. Die dürfen nämlich nicht benutzt werden, weil die Ruine ja unter Denkmalschutz steht. Alles, auch das Dach über dem Zuschauerraum, das mithilfe von Motoren ein- und ausgefahren wird, muss nach der Festspielsaison komplett abgebaut werden. Das Dach wurde von dem Architekten Frei Otto entworfen, der auch die Bedachung des Münchener Olympiastadions gebaut hat. Die Besonderheit ist, dass die Zuschauer bei Regen im Trockenen sitzen, die Schauspieler aber nicht, die Bühne ist nicht überdacht. Trotzdem werden Vorstellungen nur bei ganz extremen Wetterlagen abgebrochen, sodass es bei schlechtem Wetter manchmal eine echte Herausforderung ist, hier zu spielen. Das gilt nicht nur für die Schauspieler, sondern auch für Kostümbildner und Maskenbildner, weil Kostüme und Requisiten ja für die nächste Vorstellung möglichst schnell und gut getrocknet werden müssen.
Auf der Bühne habe ich dann erst einmal einen riesigen Löwenbrüller losgelassen. Vielleicht hat den ja auch der Intendant gehört und der schreibt dann ein Stück, in dem ein Löwe gebraucht wird und er engagiert mich. Schließlich bin ich schauspielerisch ja nicht ganz unerfahren. Ich erinnere da an meinen Auftritt an der Sandhäuser Bühne (siehe Abenteuer Folge 34).
Wir sind nach der Führung schnell nach Hause gegangen, haben noch etwas gegessen und sind dann zusammen mit Utes Sohn wieder in die Ruine gegangen. Dort haben wir dann das Musical „Titanic“ gesehen. Ich fand es eindrucksvoll, mit 1.300 anderen im Zuschauerraum zu sitzen. Das Stück hat mir auch gefallen, man konnte richtig hören, wie das Schiff mit dem Eisberg kollidiert ist. Und es war spannend, wie das Schiff auf der Bühne war, obwohl ja kein richtiges Schiff da war.
Am folgenden Tag war Ute sehr beschäftigt mit den Vorbereitungen für die Gedenkfeier zum 20. Juli, die am nächsten Tag in Imshausen stattfinden sollte. Da hatte sie keine Zeit für Extra-Unternehmungen. Aber ich habe ihr wieder fleißig geholfen. Ohne mich wäre sie sicher noch später fertig geworden. Gut, dass ich da war.
Nach Imshausen kamen dann freitags (es war der 20. Juli) viele Gäste. Jedes Jahr am 20. Juli wird am Gedenkkreuz, das die beiden Brüder von Adam von Trott, Werner und Heinrich von Trott 1949 auf dem Berg über dem Dorf aufgestellt haben, an das Attentat von 1944 erinnert, das Adam von Trott mitgeplant hat. Dieses Jahr war es besonders, weil das Kreuz im Januar bei dem großen Sturm umgeweht worden ist und erst seit zwei Wochen wieder ein neues Kreuz an der Stelle steht. Mehr als 150 Gäste kamen in diesem Jahr trotz Hitze und Sommerferien ans Kreuz, drei von ihnen kamen sogar extra aus Oxford. Dieses Jahr haben Schüler und Lehrer der Adam-von-Trott-Schule in Sontra, mit der die Stiftung zusammenarbeitet, die Rede gehalten. Das haben die richtig gut gemacht. Einen Bericht über die Gedenkfeier hat die HNA unter https://www.hna.de/lokales/rotenburg-bebra/bebra-ort46578/erinnerung-an-widerstandskaempfer-adam-von-trott-in-imshausen-10054053.html veröffentlicht.
Auf dem Weg zum Parkplatz hatte sich dann Johannes Kayßer vom Tannenhof (http://tannenhof-imshausen.de/) postiert. Johannes bewirtschaftet als Bio-Landwirt die Ackerflächen rund um das Kreuz. Er baut dort Kräuter, Kartoffeln und Getreide an. Statt mit Traktoren arbeitet er auf seinem Hof im Wesentlichen mit Kaltblut-Pferden. Heute hatte er Isis und Fritz angespannt und den Gästen, die vom Kreuz zum Parkplatz gingen, Kartoffeln und Kräuter zum Kauf angeboten. Ich habe mich spontan entschlossen, ihm beim Verkaufen zu helfen. Zusammen mit Steffi, die auf dem Tannenhof mit ihrem Pferd Therapie für gestresste Menschen anbietet, habe ich dann auch Fritz und Isis näher kennen gelernt. Die sind wirklich ganz schön groß.
Am Samstag mussten wir uns unbedingt ein bisschen ausruhen, denn die Unternehmungen der letzten Tage bei den hohen Temperaturen waren schon recht anstrengend gewesen. Außerdem musste noch ein bisschen Hausarbeit erledigt werden.
Sonntags haben Ute und ich die Turmbläser auf dem Turm der Stadtkirche besucht. Das waren übrigens die Bläser, die ich auf der Geburtstagsfeier schon kennengelernt hatte. Seit mehr als 100 Jahren gibt es die Tradition, dass Bläser jeden Sonntagmorgen auf den Turm hochklettern und von dort aus einen Choral in alle vier Himmelsrichtungen blasen. Bevor wir allerdings mit wunderbarem Rundblick – man kann von da oben über die ganze Stadt schauen und sieht auch die Stiftsruine – Musik hören konnten, mussten wir erstmal eine enge steinerne Wendeltreppe und noch viele hölzerne Stufen hochklettern. Ich habe genau gezählt: es waren 222 Stufen. Das war anstrengend. Dabei kamen wir auch an einer Tür vorbei, hinter der es brummte. Ute hat mir erklärt, dass dahinter die Windversorgung für die große Orgel (Ihr erinnert euch an die „Eule“?) untergebracht ist. Außerdem sind wir an den Glocken vorbeigekommen. In der Stadtkirche gibt es ein schönes Geläut aus zum Teil noch mittelalterlichen Glocken. Die sind ganz schön laut und groß. Es war schon interessant, sie mal aus der Nähe zu sehen. Oben haben sich die Bläser in der so genannten Türmerwohnung getroffen. Da hat tatsächlich noch bis vor einigen Jahrzehnten ein Türmer mit seiner Familie gewohnt. Der musste vor allem beobachten, ob irgendwo in der Stadt ein Feuer ausgebrochen war und dann mit seiner Trompete die Bewohner der Stadt warnen. Wenn man von oben auf die Stadt mit ihren alten Fachwerkhäusern schaut, versteht man auch, warum das so wichtig war: Die Häuser, die im Wesentlichen aus Holz und Lehm bestehen, stehen sehr dicht aneinander und damals gab es ja noch keine elektronischen Alarmsysteme oder Telefone.
Der Turm der Stadtkirche ist 56 Meter hoch. Da war ich schon froh, dass die Ute darauf bestanden hatte, mir mein Sicherheitsgeschirr anzulegen, obwohl mir das eigentlich gar nicht recht war.
Auf dem Weg nach Hause sind wir noch einmal durch den Stiftsbezirk gelaufen und Ute hat mir den Katharinenturm gezeigt, der direkt neben der Stiftsruine steht. In ihm hängt die Lullusglocke, die 1038 gegossen wurde und die die älteste datierte Glocke Deutschlands ist. Leider konnte ich die nicht hören, denn die Lullusglocke wird nur an besonderen Tagen geläutet: Am ersten Weihnachtsfeiertag, am Ostersonntag, am Pfingstsonntag und am 16. Oktober, der der Todestag des heiligen Lullus ist. Immer um 12 Uhr mittags. Ich war ein wenig enttäuscht, dass ich sie jetzt nicht hören konnte. Aber Ute hat mir erzählt, dass ich nächstes Jahr sogar zwei Mal wiederkommen darf: Im Juni, da findet in Bad Hersfeld der Hessentag statt und da ist ganz viel los. Und dann noch mal im Oktober zum Lullusfest – oder wie die echten „Mückenstürmer“ sagen zu „Lolls“. Das ist eines der ältesten Volksfeste Deutschlands. Und weil das immer in die Woche fällt, in der der 16. Oktober liegt, werde ich dann auch die Lullusglocke hören. Bis dahin übe ich schon mal, damit ich auf Lolls auch so richtig mitfeiern kann. Da rufen dann nämlich alle Hersfelder ständig: „Enner, zwoon, drääi -Bruder Lolls!“. Und darauf freuen die sich dann das ganze Jahr.
Nach einem gebührenden Abschied und ausgiebigem Mähnenkämmen hat Ute mich dann am nächsten Tag liebevoll in mein Reisekistchen gebettet und auf den Weg zu meinem nächsten Reiseziel gebracht.
Die vielen Souvenirs, die sich in den letzten Wochen in meinem Reisekistch gesammelt hatten, sind parallel auf den Weg nach Hause geschickt worden, damit Günni in gewohnter Manier darauf aufpasst und ich nicht zu viel Reisegepäck dabei habe.
Ich freue mich schon darauf, dass ich Ute, ihre Familie, Freunde und Bekannte im nächsten Jahr gleich zwei Mal wiedertreffen darf. Bis dahin habe ich noch einige andere schöne Stationen vor mir, von denen ich Ute dann ausführlich berichten kann.
Da im Bericht nicht immer alle Bilder untergebracht werden können, könnt ihr alle Bilder dieses Abenteuers hier bestaunen:
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Was ein tolles Abenteuer